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 THEMENSEITE  II

PSYCHE, GEIST, BEWUSSTSEIN

 

DER KÖRPER und die WAHRNEHMUNG DES KÖRPERS

Unsere körperliche Existenz ist auch gleichsam die Grund-Voraussetzung für unser geistiges Erleben, dass aus biochemischen und biophysikalischen Vorgängen innerhalb des Zentralnervensystems hervorgeht .

Die Tatsache das wir ein Gehirn besitzen hängt direkt mit dem Umstand unserer körperlichen Präsenz zusammen. Die ureigenste Bestimmung eines Gehirns ist nämlich jene, das Überleben des Körpers (des Gesamtorganismus) zu gewährleisten.

Viele interne Wahrnehmungssysteme befassen sich ausschließlich mit Körper- und Organzuständen, aus denen auch unsere Selbst-Wahrnehmung resultiert, ohne die es kein Existenz- und Identitätsempfinden gäbe!

Da gibt es z.B. einen Regelschaltkreis der den Blutzucker-Spiegel steuert und reguliert. Ein abfallender Blutzuckerspiegel lässt uns Hunger verspüren und wir werden uns darum bemühen, dem Körper Nahrung zuzuführen. Atmung, Herzschlag, Verdauung und Müdigkeit werden ebenfalls durch Hirn-Körper-Regelschaltkreise reguliert. Der neuronale Teil dieser Schaltkreise befindet sich im Stammhirn, dem verlängerten Rückenmark. Über diesen stammesgeschichtlich ältesten Teil des Hirns verfügen auch Reptilien. Dort erfüllt es dieselben Aufgaben. 

 Denjenigen Bereich der Körperwahrnehmung, der dem Hirn Informationen über Organtätigkeiten übermittelt, bezeichnet man als Viszerozeption.

Körperwahrnehmungen beziehen sich natürlich nicht allein auf vegetative Zustände und werden mitnichten nur im Stammhirn verarbeitet.

Die sog. Propriozeption ist jener Bereich der selbst- und körperbezogenen Wahrnehmung, der dem Hirn und natürlich auch unserem bewussten Selbst Informationen über Körperbewegungen und die relative Lage des Körpers im Raum vermittelt.

Zahllose  Propriozeptoren in sämtlichen Körpergelenken sorgen für eine starke Oberflächen- und Tiefensensibilität und vermitteln einem bestimmten Teil der Großhirnrinde (dem "Orientierungs-Assoziations-Areal" oder einfach OAA") wo der Körper endet, wo die Außenwelt beginnt und in welcher Winkelstellung sich unsere Gelenke und somit die Lage unserer Gliedmaßen befinden. Zudem hat die Oberfläche eines jeden Körperteils im Neuralnetz des sog. "somatosensorischen Kortex" der Großhirnrinde eine maßstabsverzerrte Entsprechung. Druck - und Temperatursensoren auf der Hautoberfläche (insbesondere auf Handflächen und Fußsohlen) geben im Zusammenspiel mit dem Gleichgewichtsorgan im Mittelohr präzise Auskunft über unseren Bodenkontakt oder unterstützen die Berechnung der optimale Griffstärke, um z.B. nach einer Tasse zu greifen. Diese Informationen werden sehr schnell und direkt verarbeitet, unter weitgehendem Ausschluss des Bewusstseins.  Ein Kunstturner der sich während eines Saltos darüber Gedanken machen müsste, wo sich gerade seine Schultern oder seine Knie befinden, könnte schwerlich eine gute Landung hinkriegen! Die Zeit würde für Berechnungen dieser Art nicht ausreichen.

 

EMPFINDUNGEN

Empfindungen sind keine Emotionen!

Der Hirnforscher Antonio Damasio differenziert zwischen dem im alltäglichen Sprachgebrauch zumeist synonym verwendeten Begriffen Emotion und Empfindung! Empfindungen sind für ihn Wahrnehmungen von Körperzuständen!

Zitate Damasio (aus Zusammenhängen herausgenommen):

"Während Körperveränderungen stattfinden erfährt man von seiner Existenz!"

 " Dieser Prozess ständiger Zeugenschaft, die Erfahrung dessen, was ihr Körper macht, während Gedanken über bestimmte Inhalte durch den Kopf gehen, ist der Kern dessen, was ich eine Empfindung nenne!"

"Eine Empfindung beruht auf der Juxtaposition einer Vorstellung vom Körper im engeren Sinne und der Vorstellung von etwas anderem, etwa der dem visuellen Vorstellungsbild eines Gesichtes. Vervollständigt wird das Substrat einer Empfindung durch Veränderungen kognitiver Prozesse".

 "Hintergrundgefühle"- unentbehrlich für die eigene Selbstrepräsentation- entstehen aus "Hintergrundzuständen" des Körpers und nicht aus Gefühlszuständen!
Diese "Hintergrundgefühle" entsprechen der  Empfindung des Lebens selbst, dem Empfinden des Seins!".

Das Existenzgefühl ist also weniger an  konkrete Wahrnehmungen (auch nicht an statische Empfindungen), sondern vielmehr an die Veränderung von Körperzuständen gekoppelt! Ich könnte theoretisch einen sehr niedrigen oder aber einen überaus hohen Blutdruck haben, ohne mich zwingend irgendwie schwindelig oder anderweitig körperlich beeinträchtigt zu fühlen. Würde aber der Blutdruck innerhalb einer halben Minute von 220:145 auf 80:60 sinken, dann würde ich das sehr wohl irgendwie merken!  Der wesentliche Aspekt der Existenzempfindung liegt im Kontrasterleben infolge von Überlagerungszuständen und Intensitätsschwankungen zwischen bzw. innerhalb von Regel- und Steuersystemen bzw. der sie repräsentierenden neuronalen Strukturen.

Empfindungen entsprechen also primär dem Erleben von Körperzuständen. Ferner kommt ihnen als sog. "Somatische Marker" eine besondere Bedeutung bei unserer kognitiven Auseinandersetzung mit der Wirklichkeit zu.

 

NEUROLOGISCHE ENTSCHEIDUNGSAPPARATE
 

Die evolutionären Hintergründe für die Entwicklung der Fähigkeit des Denkens dürfte wohl mit den damit verbundenen Vorteilen für das Treffen von Entscheidungen verbunden sein:
 Man kann in Gedanken das Szenario einer zukünftigen Situation entwerfen, ehe sie real eintritt. Hierzu können gespeichertes Wissen und Erfahrungen abgerufen werden, so dass bei Eintreten der Situation ohne Zeitverlust eine (ausgedachte) Handlung ausgeführt werden kann.

Entscheidungen zu treffen, entspricht also einer wesentlichen Essenz unserer menschlichen Natur und fast ständig sind wir in der Situation Entscheidungen treffen zu müssen. Hierbei kann es nun um berufliche oder private Dinge, um einen Autokauf oder nur um die Frage gehen, ob ich 2 oder 3 Stück Zucker in den Kaffee geben soll!

Damasio definiert 3 verschiedene Ebenen von "Entscheidungsapparaten":

 

- Der älteste ist für die fundamentale biologische Regulation zuständig.
 Er betrifft die Belange um Nahrungsaufnahme, Unterschlupf, Schlafen, etc.


- Dann kommt der Apparat für den persönlichen sozialen Bereich.
 Für das Überleben unserer hominiden Vorfahren war es nicht nur wichtig, allgemeine Informationen in einfache Kategorien einzuordnen  (z.B. genießbar/ungenießbar; gefährliches Tier/ leicht zu erlegendes Tier, etc.). Um sich in der eigenen Gruppe und gegenüber Fremden zu behaupten, galt es auch, sich Meinungen über andere zu bilden: Soll ich mich bei Konflikten mit diesem oder jenem Klanmitglied verbünden? Sieht ein Fremder gefährlich oder friedlich aus? Auch für unser heutiges soziales Überleben ist es wichtig  andere Menschen anhand gewisser Informationen- etwa auffälliger Verhaltensweisen- in geistige Schubladen zu stecken und das eigene Verhalten ihnen gegenüber zu modifizieren!


- Der "Jüngste" neuronale Entscheidungsapparat ist für abstrakte symbolische Operationen, für wissenschaftliches Denken, Sprache, Mathematik etc. zuständig.
In diesen Strukturen entwirft man komplexere Repräsentationen in Form von Metaphern und Analogien, verwendet dabei (sprachliche) Symbole, setzt dieselben durch grammatische Begriffe in Bezug zueinander oder arbeitet mit Zahlen und mathematischen Formeln.
 

Im Allgemeinen pflegt man bei Denk- und Entscheidungsprozessen zwischen sinnvollem "logischen Denken" und störenden Gefühlen und Empfindungen zu differenzieren, die zu vermeintlich unbrauchbaren oder verhängnisvollen "Bauchentscheidungen" führen.

Objektive Denkprozesse sind allerdings weniger effektiv als sie erscheinen. Angesichts der Komplexität persönlicher und sozialer Probleme sind sie unzulänglich und brauchen die Hilfe von Gefühlen und Empfindungen.

 

SOMATISCHE MARKER
Auch komplizierte kognitive Prozesse, wie sie im Zusammenhang von Entscheidungen entstehen wo die Erfordernis besteht, zahlreiche Faktoren und Auswirkungen rationell zu bewerten, können niemals unabhängig von Empfindungen und Emotionen ablaufen!

Bei einer Entscheidungsfindung zahlreiche Details und Fakten auszuwerten bedeutet i.d.R. die begrenzte Gedächtniskapazität zu überfordern. Auch die schlussfolgernden Strategien sind mit Fehlern behaftet. Unkenntnis, unzulängliche Verwendung von Wahrscheinlichkeitstheorie und Statistik sind allgemeine Schwächen menschlicher Gehirne.

Die Schlüsselelemente eines entworfenen Szenarios entfalten sich in Form von Vorstellungen (Vorstellungsbildern) in großen Umrissen und praktisch gleichzeitig - zu schnell um Einzelheiten klar herauszuarbeiten.
Taucht in der Vorstellung ein mit einer gegebenen Reaktionsmöglichkeit verknüpftes unerwünschtes Ereignis auf, hat man eine unangenehme Körperempfindung (im Bauch). Dies wird als ein somatischer Zustand bezeichnet.


Der Begriff SOMA ist griechisch und bedeutet (Körper)EMPFINDUNG
Dieser Zustand markiert ein Vorstellungsbild und ist deshalb ein
somatischer Marker

Dieser somatische Marker lenkt die Aufmerksamkeit auf das (vorgestellte) negative Ereignis und kann Handlungsweisen nach sich ziehen.

 

RATIONALITÄT neben und jenseits somatischer Marker:


DIVERSITÄTSGENERATOR

Sobald man vor einer Entscheidung steht wird die geistige Landschaft von der vielfältigen, erschöpfenden Repräsentation des Wissens über die betreffende Situation beherrscht. Vorstellungsbilder die unzählige Handlungsmöglichkeiten mit unzähligen möglichen Ergebnissen  entsprechen, werden aktiviert und ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt. Dieser Prozess setzt voraus, das fortwährend Kombinationen von Objekten und Ereignissen hergestellt werden, so dass eine vielfältige Juxtaposition von Vorstellungsbildern zustande kommt, die der Kategorisierung des Wissens entspricht.
Die präfrontalen Hirnstrukturen die das machen nennt man DIVERSITÄTSGENERATOR.

Dieser braucht einen Riesenvorrat an faktischen Wissen über die Mitwirkenden in diesen Situationen, über die Handlungen die von ihnen zu erwarten sind und über die verschiedenen Ergebnisse die ihre vielfältigen Handlungen hervorrufen können.

Faktisches Wissen ist kategorisiert (die Fakten aus denen es sich zusammensetzt, sind nach funktionalen Kriterien in Klassen organisiert), und die Kategorisierung trägt zur Entscheidungsfindung bei, weil sie den Arten von Wahlmöglichkeiten, die Arten von Ergebnissen und Verknüpfungen zischen Wahlmöglichkeiten und Ergebnissen klassifiziert. Ferner stellt die Kategorisierung eine Reihenfolge der Wahlmöglichkeiten und Ergebnisse nach Maßgabe einer bestimmten Wertvorstellung dar.

Man neigt zwar im Allgemeinen zur Annahme, das nur der rationale Verstand in der Lage ist abstrakte Vorgänge zu durchdenken, Zusammenhänge zu verstehen und  Probleme zu lösen!  Gefühle und Emotionen hingegen würden sich bestenfalls als Störfaktoren innerhalb solcher Prozesse bemerkbar machen und die Fähigkeit des Verstandes negativ beeinträchtigen!

Dies ist aber - wie  schon erwähnt - so durchaus nicht zutreffend! Viele Aspekte, Vorgänge und Probleme des Lebens lassen sich aufgrund ihrer Vielschichtigkeit und Komplexität und infolge der beschränkten Leistungsfähigkeit des Arbeitsgedächtnisses nicht analytisch aufarbeiten!

Patienten die aufgrund von Hirnverletzungen in spezifischen Regionen keine normalen emotionalen Fähigkeiten mehr aufweisen, unterstreichen diesen Sachverhalt überdeutlich!

Trotz normaler, in manchen Fällen sogar überdurchschnittlicher Intelligenz sind sie in vielen Situationen nicht mehr fähig, alltägliche Entscheidungen zu treffen und angemessene soziale Reaktionen zu zeigen. Selbst die Auswahl eines Gerichtes aus der Speisekarte eines Restaurants kann zu einem stundenlangen Unterfangen werden.

Anmerkung: Die Absätze zu neurologischen Entscheidungsapparaten, somatischen Markern und den "Diversitätsgenerator" beziehen sich stark auf Inhalte aus dem Buch: "Descarte`s Irrtum"; Autor: Antonio Damasio; List Verlag München

 

Nachfolgend wollen wir uns mit einigen zentralen Begriffen zur Definition mentaler Phänomene und zentraler Inhalte und Funktionen der menschlichen Psyche beschäftigen. Ich fasse mich kurz und beschränke mich teilweise auf sehr knappe Definitionen aus dem Fachlexikon "Grosses Wörterbuch der Psychologie" vom Münchner "Compact Verlag"

 

BEWUSSTSEIN:
1. Bewusste und rationale Steuerung des eigenen Verhaltens
2. Erleben der Innen- und Außenwelt

Trotz des exponentiell  zunehmenden Wissens um die Vorgänge im Gehirn entzieht sich die wohl wesentlichste Sache nach wie vor einer plausiblen Erklärung: Die Frage nach dem "GEIST", der "SEELE" bzw. dem BEWUSSTSEIN!

Bereits die Begriffs- Definition bereitet Schwierigkeiten!
Aus menschlicher Perspektive sind wir es gewohnt, aufgrund unserer alltäglichen Erfahrungen eine ganze Reihe von Teilaspekten unserer
 kognitiven Fähigkeiten mit Bewusstsein zu assoziieren. Viele dieser Fähigkeiten können technisch nachgebildet werden ohne das auch nur der Schatten von "Bewusstsein" mit im Spiel ist!

Hierzu einige Beispiele: 

Rechnen: Wie viel ist 737 : 13? Davon abgesehen das ich als Mensch kein exaktes Ergebnis ermitteln werde, benötige ich einen erheblichen Zeitaufwand für die Berechnung und muss mich zudem äußerst bewusst anstrengen! Selbst der billigste Taschenrechner wird das exakte Ergebnis in kürzester Zeit liefern - garantiert ohne bewusste Bemühungen.

Wahrnehmung: Jede Supermarkt- Türe kann "wahrnehmen" wenn sich ein Kunde nähert. Sie "reagiert" sogar auf den wahrgenommenen Reiz indem sie sich selbständig öffnet! Bestimmte Arten von Wahrnehmungen und Reaktionen können zwar auch im menschlichen Gehirn "automatisch" und "unbewusst" ablaufen.  Sehr viele Wahrnehmungen erleben wir aber überaus bewusst und sehr viele Reaktionen müssen wir erst recht bewusst planen!

Vergleichen + Erkennen: Ein Polizei -Computer kann in kürzester Zeit mühe- und bewusstseinslos zahllose Fingerabdrücke miteinander vergleichen und Übereinstimmungen mit gespeicherten Daten erkennen. Als Menschen haben wir mitunter enorme Mühen Muster zu vergleichen. Ganz zu schweigen davon wie bewusst wir uns darauf konzentrieren müssen. Man braucht nur versuchen verdeckte Fehler in scheinbar identischen Bildern zu finden, um zu erleben, wie schwierig solch eine scheinbar "anspruchslose" Aufgabe sein kann!

Das "Wesen" oder die "Natur" des Bewusstseins geht also weit über das hinaus, was man aus alltäglichen Erfahrungen heraus für gewöhnlich mit "Bewusstsein" zu assoziieren geneigt ist!

Anstelle etwas zu erklären versuchen, das derzeit noch nicht befriedigend oder nur mit mehr oder weniger umstrittenen Theorien beschrieben werden kann, möchte  ich zunächst  einige meiner Überzeugung nach  sehr interessante ,knappe und aufschlussreiche  Zitate zur neurobiologischen Natur  dieses unerschöpflichen Begriffes anführen:

Antonio R. Damasio (Hirnforscher / Autor): "Das Gehirn nutzt Strukturen die dem Abbilden sowohl des eigenen Körpers wie der Außenwelt dienen, um eine neue Abbildung zweiter Ordnung zu erstellen. Diese zeigt dann an, das der Organismus, so wie er im Gehirn repräsentiert ist, sich in Interaktion mit einem Objekt befindet, das ebenfalls im Gehirn abgebildet ist.
Die Abbildung zweiter Ordnung ist keine Abstraktion; sie findet in neuronalen Strukturen wie Thalamus und Cingulum statt".
 

Darwin (Begründer der Evolutionstheorie):  "Die Evolution hat ein Gehirn erschaffen das den Organismus unmittelbar und die Außenwelt, zu der er in Beziehung tritt, mittelbar zu repräsentieren vermag".

 

Gamon/Bragdon (Autoren): "Bewusstsein ist ein Produkt von Beziehungen, kein Ding oder Ort! Es gibt Gründe für die Annahme, dass das "Metabewusstsein" - das Bewusstsein, das man über ein Bewusstsein verfügt- von der relativ späten kindlichen Entwicklung einzelner Areale des Stirnlappenbereichs abhängt. Demzufolge beherbergen die Stirnlappen offenbar für die Integration oder assoziative Zuordnung verantwortliche Regionen, die für unsere konsistente, individuelle Persönlichkeitsstruktur entscheidend sind. Die Antwort liegt im Zusammenwirken einer Vielzahl von Gehirnarealen und nicht in einem einzigen anatomisch und funktionell klar umrissenen Modul. Der "Treiber"  des gesamten kognitiven Apparates -insofern es einen gibt- dürfte seinen Sitz durchaus sehr weit vorne im Stirnhirn haben!"

Gerald M. Edelmann (Hirnforscher / Autor): "Das Bewusstsein ist ein Prozess! Seine neuronale Basis besteht in der dynamischen Interaktion zwischen den Neuronengruppen in verschiedenen Regionen der Großhirnrinde sowie zwischen dieser, dem Thalamus und weiteren Hirnbereichen. Bewusstsein kommt durch eine enorme Zahl reziporker, also sich gegenseitig beeinflussender Rückkopplungsschleifen zu Stande - und zwar vor allem zwischen Gedächtnissystemen in weiter vorne gelegenen Hirnregionen und jenen hinteren Hirnbereichen, die Wahrnehmungen kategorisieren".

 

John Hopfield (Theoretischer Physiker, Gehirn-und Geistesforscher):
 "Einfache Elemente zeigen oft ein kompliziertes Verhalten, wenn sie in großen Mengen auftreten. 2 Gasmoleküle in einem Behälter bewegen sich umher und stoßen hin und wieder zusammen. Bei 10 oder gar 1000 Molekülen kommt es zu mehr Kollisionen. Bei einer Milliarde Milliarde Molekülen entsteht ein neues Phänomen: Schallwellen. Nichts am Verhalten von 2, 10 oder 1000 Molekülen deutet darauf hin, das eine Milliarde Milliarde Moleküle imstande wären, Schallwellen zu erzeugen. Schallwellen sind eine Kollektiverscheinung eines komplexen Systems.
Das Gehirn besteht aus 100 Milliarden Neuronen, und jedes einzelne kann mit bis zu 10000 anderen Neuronen in Verbindung stehen. Aus diesem gewaltigen Aufgebot von miteinander verbundenen Neuronen entsteht möglicher Weise jene große kollektive Verschwörung, die wir als Geist bezeichnen".

 

Ein wesentlicher Aspekt für die Präsenz von Bewusstsein liegt in der gleichzeitigen Ko-Existenz von Motivation, Emotionen und kognitiven Prozessen! In jedem Augenblick bewussten Erlebens habe ich irgendwelche Gefühlszustände, irgendwelche Handlungsabsichten infolge irgendwelcher Motive und irgendwelche Gedanken über gegenwärtige oder abstrakte Inhalte. Die Handlungsabsicht kann sich ggf. darauf beschränken, sich passiv verhalten zu wollen und meine Motive können ggf. auch nur unbewusst vorhanden sein.

Das AKTUALBEWUSSTSEIN bezeichnet den "Echtzeit-Speicher" des Bewusstseins. Hier befindet sich der Zenit von Wahrnehmungs- und kognitiven Prozessen, hier erlebe ich den "Jetzt-Zustand" der Wirklichkeit, hier nehme ich meine Empfindungen und Emotionen wahr und hier bahnen sich meine Entscheidungen an. Überhaupt erlebe ich die Vorstellung der eigenen Person, des eigenen ICH`s innerhalb des Aktualbewusstseins.  Vorab einige kurze Definitionen aus dem Fachlexikon "Grosses Wörterbuch der Psychologie" vom Münchner "Compact Verlag"

IDENTITÄT:
 -Bewusstsein einer Person darüber, wer und was sie selbst ist.
-Die Summe aller Merkmale, die eine Person von anderen Menschen unterscheidet.
 

SELBST:
 -Die Gesamtheit der psychischen Vorgänge eines Menschen.
- Umfasst bewusste und unbewusste Anteile des Psychischen und bezeichnet die eigene Person in Gegenüberstellung zu den Objekten der äußeren Realität.

ICH:
Zentrum der Persönlichkeit und diejenige Instanz, die einer Person ein Bewusstsein von sich selbst vermittelt. Es entsteht im Kontext sozialer Interaktionen in den ersten Lebensjahren.
 

 ICH-FUNKTION
-Alle ererbten (primär autonomen) und sich im Lauf der Entwicklung herausgebildeten (sekundär autonomen) Leistungen, die vom ICH bewältigt werden.
Zu den primär autonomen Ich-Funktionen gehören z.B. Denken und Wahrnehmung, zu den sekundären gehören Funktionen, die im Verlauf der Bewältigung innerpsychischer Konflikte entstehen (z.B. Abwehrmechanismen  wie Verdrängung oder Verleugnung). 


PERSÖNLICHKEIT:
 - Gesamtheit aller Eigenschaften einer Person die für ihr Erleben und Verhalten grundlegend sind.

 

Später soll dem Begriff der Identität, des ICH`s noch weitaus größere Aufmerksamkeit zukommen, da genau dieser mystische Part des Geistigen bei schizophrenen Symptomen angegriffen und in seiner Kohärenz und Funktionsweise beeinträchtigt ist. Sehen wir uns zunächst weitere Elemente der Psyche kurz an:

 

EMOTIONEN (=GEFÜHLE )
 

Die Bedeutungen von Gefühlen sind biologischer Natur: Freude, Liebe oder Trauer festigen die sozialen Bindungen der Menschen untereinander. Angst, Ekel und Überraschung können vor Gefahren schützen. Wut mobilisiert Kräfte und und hilft bei der Verteidigung.


Der populäre Hirnforscher A. Damasio trifft folgende Unterscheidung:

Primäre Gefühle (Kleinkind): =angeboren, präorganisiert.
Diese primären Gefühle können mit bestimmten Reizmerkmalen in der Welt oder im Körper verdrahtet sein. Sie umfassen im Prinzip das Spektrum der 6 Grundemotionen :Wut, Ekel, Angst, Freude, Überraschung, Trauer).

Sekundäre Gefühle (Erwachsener) = Sie werden nicht unmittelbar oder reflexiv ausgelöst sondern durch Vorstellungen und Kognition erzeugt. Sie bedienen sich aber der vorhandenen Mechanismen für primäre Gefühle! Zu den Sekundären Gefühlen zählen u.a. Mitgefühl, Verlegenheit, Scham, Schuld, Stolz, Eifersucht, Neid, Dankbarkeit, Bewunderung, Entrüstung und Verachtung.

 
 

MOTIVATION:

Im Gegensatz zu einer Maschine funktioniert der Mensch nicht nur, er handelt vielmehr aus eigenem Antrieb - aus eigenen MOTIVEN.

 "Motivation: Oberbegriff für die Gesamtzahl der Motive (Zweck, Antrieb, Ursache), die eine Person zur Umsetzung einer Handlung drängen. Motivation stellt die bewussten oder unbewussten Beweggründe für menschliches Verhalten und Handeln dar und ist an emotionale und kognitive Prozesse gekoppelt."

Aus: "Grosses Wörterbuch der Psychologie"; Compact Verlag München

 

Die Existenz der Motive resultiert aus der schlichten Tatsache, das der Mensch ein Organismus ist der Bedürfnisse hat. Diese Bedürfnisse wiederum sind ein Ergebnis seiner biologischen Natur und der Erfordernis, für sein Überleben zu sorgen. Am Fuß der Bedürfnis-Pyramide stehen fundamentale, das unmittelbare Überleben betreffende Faktoren (Nahrung, Wärme, Schlaf,etc..) die wir mit allen biologischen Organismen teilen.

 

DAS  GEDÄCHTNIS

Es gäbe für uns keine zusammenhängende Welt, ja nicht mal eine stabile eigene Persönlichkeit, wenn unser Gehirn nicht befähigt wäre, die erstellten REPRÄSENTATIONEN der Wirklichkeit zu speichern und als Erinnerungen oder Gedächtnis-Inhalte verfügbar zu halten!

Man unterscheidet 4 Gedächtnisformen:

Episodisches Gedächtnis:
Dies ist der Speicherplatz  für persönliche Erinnerungen und Gefühle. Ereignisse die mit der Biographie der eigenen Person eng verwoben sind, also die persönlichen Lebenserfahrungen wie etwa der erste Schultag, die Führerscheinprüfung und dergleichen mehr, werden hier gespeichert.


Semantisches Gedächtnis:
 Es enthält alle bewusst erlernten Daten und Fakten. Hier sind bspw. Paris als die Hauptstadt von Frankreich und die Buchstaben/Zahlenkombination "A 380" als die Bezeichnung für das größte Passagierflugzeug abgespeichert.

 
Prozedurales Gedächtnis:
Sitz aller erlernten (ohne Nachdenken ausführbaren) Bewegungsabläufe. Beim Laufen, Radfahren oder beim koordinierten Ausführen von Bewegungsabläufen die man in einer erlernten Sportart praktiziert, ist diese Form des Gedächtnisses aktiv.

 
PRIMING:
Hier werden unbewusst wahrgenommene Zusammenhänge gespeichert. In diesem Gedächtnisbereich ergeben sich praktisch selbständig Verknüpfungen die den Wissensschatz erweitern! Wenn man bspw. weiß das ein Fisch durch seine Kiemen atmet und erfährt das ein "Seeteufel" ein Fisch ist, dann ergibt sich das "implizite" Wissen oder die "automatische Erkenntnis", das ein Seeteufel durch Kiemen atmet!
 

In Bezug auf die Verweildauer der Inhalte unterscheidet man zwischen:

Ultrakurzzeitgedächtnis: Aufnahme sensorischer und flüchtiger Reize.

Kurzzeitgedächtnis: (=Arbeitsgedächtnis): Verarbeitung der aufgenommenen Informationen zu Worten und Bildern (Kodierung). Bewusstmachung der aus dem Langzeitgedächtnis eingespeisten Gedächtnisinhalte, was dazu führt, dass die Aufnahme neuer Inhalte immer von bereits vorhandenen Gedächtnisinhalten beeinflusst wird.

Langzeitgedächtnis: Gesamtheit der überdauernden Informationen; Wissen über die eigene Person und die Umwelt; Begriffe, Regeln, Abstraktionen; Prozesse des Denkens und Sprechens.

 

DER KREISLAUF DES ER-LEBENS

Fassen wir kurz zusammen:

Ich bin ein biologisches Lebewesen mit einem Körper. (Hintergrund)wahrnehmungen des Körpers vermitteln mir ein Existenzempfinden. Diverse Körperzustände (Hunger, Müdigkeit) erzeugen meine Grund-Handlungsmotive (Ernährung, Schlaf,..). Mein komplexes Bewusstsein ermöglicht mir künftige Dinge vorauszuberechnen, Handlungsoptionen zu entwerfen, zwischen ihnen abzuwägen und Entscheidungen zu treffen. Ich setze mein Wissen über die Welt und meine Entscheidungsfähigkeit dazu ein, die (mutmaßlich) richtigen Maßnahmen zur Befriedigung meiner Bedürfnisse zu treffen. Der (Miß)erfolg meiner Handlungen zur Bedürfnisbefriedigung wird im Gedächtnis gespeichert und erzeugt ferner Emotionen, also Gefühle. Diese helfen mir Dinge zu bewerten und zu kategorisieren. Zudem verknüpfen sich Vorstellungen von Handlungsoptionen mit gewissen Körperempfindungen (=somatische Marker), die meine Entscheidungsprozesse jenseits der reinen kognitiven Analysen rationalisieren (mein Arbeitsgedächtnis ist begrenzt und ich kann mich nicht mit  zahllosen Eventualitäten auseinandersetzen). Aus Empfindungen entstehen Bedürfnisse, aus Bedürfnissen Emotionen, aus Emotionen Motive, aus Motiven Gedanken, aus Gedanken Entscheidungen und Handlungen, aus Handlungsresultaten wieder Empfindungen, Bedürfnisse und Emotionen.......

 

 

 

DAS HIRN ALS FUZZY-SYSTEM

MÖGLICHKEITEN DER INFORMATIONSVERARBEITUNG

 

Es gibt "logische" Informationen, die mit Sprache, Zahlen und Symbolen ausgedrückt und in dieser Form gespeichert werden können. Ihnen gegenüber stehen andere, schwieriger zu beschreibende Informationen: Emotionen, Empfindungen, atmosphärische Eindrücke, etc. Befassen wir uns zunächst mit der Verarbeitung "logischer Informationen":

 

ZWEI GRUNDSÄTZLICHE MECHANISMEN

Alles was im Hirn in bezug auf informationsverarbeitende Prozesse und die Repräsentation von Inhalten geschieht, hat mit WAHRNEHMUNG und KOGNITION zu tun. Hierzu vorab zwei kurze Begriffsdefinitionen:

WAHRNEHMUNG:
Aufnahme und Verarbeitung von Reizen aus der Umwelt oder dem eigenen Körper. Aufgrund von Wahrnehmungen ist der Mensch in der Lage, mit seiner Umwelt in Kontakt zu treten und sich Wissen anzueignen. Wahrnehmung erfolgt mit Hilfe von Sinnesorganen (Augen, Gehör, etc). Die Verarbeitung der wahrgenommenen Sinnesempfindungen enthält immer eine subjektive Komponente und wird von Gefühlen, Einstellungen und Bewertungen des Wahrnehmenden beeinflusst.

KOGNITION:
Verarbeitung von Informationen und menschlichen Erkenntnisprozessen. Neben dem Denken zählen dazu u.a. Aufmerksamkeit, Lernen, Wahrnehmung, Erinnerung, Entscheidung und Beurteilung.

Wahrnehmung und Kognition sind keine grundverschiedenen Mechanismen! Sie bedingen sich vielmehr gegenseitig. Oft entscheidet die Intensität eines Prozesses oder der Grad seiner Bewusstheit darüber, ob er dem Bereich der Wahrnehmung oder jenem der Kognition zuzuordnen ist: Eine un- oder vorbewusste Kategorisierung (etwa wenn ich eine Spinne spontan als solche erkenne und sie aus der Ordnungskategorie "Insekt" in eine Unterebene verschiebe) ist eindeutig ein Wahrnehmungsprozess. Die genauere Analyse (wenn ich in meinem inneren Archiv zoologisches Wissen abrufe und den Versuch unternehme, die exakte Art zu benennen) entspricht eindeutig einer Kognitionsleistung.

Kognition ist im Grund eine potenzierte Form der Wahrnehmung, die zielgerichtet ist und i.d.R. stark mit der augenblicklichen Intention des wahrnehmenden Subjektes in Verbindung steht. Wahrnehmung ist etwas unglaublich Universelles. Auch unsere Selbst-Repräsentation beruht auf Wahrnehmungsprozessen (auf Empfindungsebene). Ich kann Dinge wahrnehmen ohne sie (bewusst oder willentlich) kognitiv zu bewerten. Aber ich kann keine Kognitionsleistung bzw. prinzipiell keinen "Willensakt" vollbringen, ohne denselben nicht notwendiger Weise auch in irgendeiner Form und irgendeiner Intensität wahrzunehmen.

 

 

MÖGLICHKEITEN UND SYSTEME DER INFORMATIONS-VERARBEITUNG

 

A) PRÄORGANISIERTE FUNKTIONEN UND FÄHIGKEITEN DES GEHIRNS

Unter "präorganisierten Fähigkeiten" versteht man solche Fähigkeiten, die praktisch ohne jegliche vorherigen Erfahrungen und  Lernvorgängen von Geburt an im Gehirn angelegt sind.

Die Tatsache das es eine Reihe solcher Fähigkeiten gibt ist überaus interessant. Lange Zeit wurde angenommen, dass Gehirn eines Neugeborenen sei, abgesehen von von einigen sehr fundamentalen "Überlebensdispositionen" wie etwa dem Sauginstinkt, praktisch ein "weißes Blatt", vergleichbar mit einer leeren PC-Festplatte die erst formatiert werden muss.

Überlebensdispositionen
Das Gehirn verfügt über angeborene Schaltkreise, deren Aktivitätsmuster - unterstützt von biochemischen Prozessen des Körpers - Reflexe, Triebe und Instinkte zuverlässig steuern um Atmung und Ernährung in geeigneter Weise stattfinden zu lassen. Dadurch werden wichtige biologische Prozesse am Laufen gehalten. Die hierfür zuständigen neuronalen Einheiten sind  u.a. über das Hormonsystem  mittels "Feedback-Schleifen" (Feedback= wörtlich: Rückmeldung) sehr eng an Organe des Körpers gekoppelt.

Komplexere präorganisierte Mechanismen
Präorganisierte (= vorprogrammierte, angeborene) Mechanismen sind für biologische Grundregulationen wichtig. Sie helfen aber auch dem Organismus Ereignisse anhand ihrer möglichen Auswirkungen aufs Überleben als "gut" oder "schlecht" einzustufen.
Dies bedeutet: Der Organismus hat ein angeborenes Grundmuster an Präferenzen, Kriterien, Vorurteilen und Wertvorstellungen.
Ihr Einfluss und jener der Erfahrung erhöht den Bestand an Dingen die als "gut" oder "schlecht" eingestuft werden.

Auch folgende Sachverhalte fallen unter Präorganisation und "angeborenes Wissen":

Ein Säugling versucht einem Gegenstand, der sich zügig auf ihn zubewegt auszuweichen (etwa durch Neigung des Körpers) oder hält sich die Arme vors Gesicht. Er "weiß" das es zur Kollision kommt (und sich nicht etwa das Objekt beim Aufprall auflöst oder ihn folgenlos durchdringt). Ebenso "weiß" ein auf dem Tisch krabbelnder Säugling, dass er bei Überschreiten des Randes (sofern er ihn eindeutig erkennen kann) abstürzen und sich nicht etwa durch die Luft weiter bewegen könnte. Der wesentlichste angeborene Mechanismus ist jenes "Grammatik-Regel-Suchsystem", dass uns die Muttersprache im Eiltempo erlernen lässt.

 

Allgemeine Beispiele von Präorganisation:

 Antrophologen entdeckten bspw. das es eine weltweit verbreitete Struktur an Farbenbenennung gibt! In Kulturen mit nur zwei Farbbezeichnungen bedeuten diese Namen dunkel und hell. Bei drei Namen bezeichnet der dritte die Farbe Rot. Bei vier Namen kommt Gelb dazu, bei fünf Grün oder umgekehrt. Es liegt nahe, dass wir das Farbenspektrum nicht willkürlich einteilen, sondern die Farben gemäß einer universellen Struktur kategorisieren. Diese Struktur wiederum könnte vom Bauplan des Gehirns abhängen!

 

 

ALLGEMEINE KOGNITIVE FUNKTIONSEIGENSCHAFTEN DES GEHIRNS

Nachfolgend geschilderte Grund-Mechanismen neuronaler Informationsverarbeitung können sowohl den Charakter von Wahrnehmungs- als auch auch von kognitiven Prozessen haben. Zumeist entscheidet der Grad deren Bewusstheit  und deren Funktionsstärke hierüber.

 

A) KATEGORISIERUNG  /  BILDUNG VON "PROTOTYPEN"

Erworbenes Wissen wird strukturell gespeichert - es erfolgt eine KATEGORIENBILDUNG !

Das Gehirn entwickelt Kategorien - z.B. von Objekten, und ordnet den jeweiligen Kategorien alle Dinge zu, welche bestimmte Eigenschaften oder Wirkungen haben. 

Diese Art der Kategorisierung funktioniert aber nicht lückenlos!  Es gibt bspw. viele Dinge welche die Eigenschaften eines Stuhles haben, aber kein Stuhl sind! Die Fähigkeit der Kategorisierung wird deshalb durch ein zusätzliches System ergänzt: Das Gehirn fertigt für viele Kategorien  "PROTOTYPEN" oder "BESTE BEISPIELE " von Objekten an und vergleicht wahrgenommene Objekte auf den Grad ihrer Übereinstimmung mit einem bestimmten Prototypen!

So haben Forscher bspw. repräsentativ herausgefunden, das die allermeisten Menschen beim Begriff "Vogel" an ein Lebewesen denken, das in etwa wie ein Rotkehlchen aussieht! Würde man im Satz "Die Vögel saßen auf der Fensterbank" das Wort "Vögel" durch "Truthähne" ersetzen, würde dies befremdlich wirken!


Ebenso denken die meisten Menschen beim Begriff AUTO an eine viertürige Limousine. Diese ist offensichtlich für diesen Begriff repräsentativer als etwa ein Landrover.

Eine weitere interessante Feststellung machten die Antrophologen Brent Berlin und Paul Kay bei ihren Untersuchungen an primitiven Kulturen, als sie analysierten, wie diese Menschen in ihrer Umgebung Pflanzen benannten.
   Die Eingeborenen gliederten die Pflanzen nicht nach einem bestimmten Nutzwert den sie für die betreffende Kultur besaßen, etwa ob sie essbar, gefährlich oder als Unterschlupf geeignet sind. Vielmehr benannten sie die Pflanzen nicht viel anders, als sie in der westlichen Wissenschaft klassifiziert werden, nämlich aufgrund ihres ähnlichen Aussehens. Obwohl diese Kulturen vielfach abgestufte Pflanzennamen kannten, wurde i.d.R. der Name verwendet, der einer Kategorie entspricht, die weitgehend mit der botanischen Gattung zusammenfällt!
Zumindest bei Pflanzen scheint es also eine grundlegende Kategorisierungsebene zu geben, mit der alle Menschen bestens zurechtkommen.

 Wir verfügen über solche grundlegenden Kategorisierungsebenen, weil das Gehirn ein Teil unseres Körpers ist. Wären Kategorien unabhängig vom Gehirn, dann gäbe es für uns keinen Grund, grundlegende Begriffe wie Auto (im Gegensatz zu Fahrzeug) oder Stuhl (im Gegensatz zu Möbel) zu bilden. Aber wir arbeiten mit diesen grundlegenden Begriffen. Werde ich gefragt, was ein typisches Auto ist, kann ich es mir im Geiste vorstellen und Einzelheiten beschreiben. Viel schwerer wäre es eine detaillierte Beschreibung eines Fahrzeuges zu geben, weil diese Kategorie so umfassend ist, dass kein geistiges Bild entsteht, das Autos, Züge, Kettenfahrzeuge, Schiffe, Flugzeuge und Motorräder einschließt!

Der Grund warum wir Autos als fundamentale Kategorie betrachten liegt darin, dass Autos einer Ebene angehören, auf der wir mit unserem Körper interagieren. Solche grundlegenden Kategorien haben einen Bezug zu menschlichen Verrichtungen (man fährt Auto, man sitzt auf Stühlen), und diese Wechselbeziehung bestimmt, wie wir unser Wissen von der Welt organisieren. Kinder fangen mit der Informationsorganisation auf dieser grundlegenden Ebene an, verallgemeinern dann nach oben und spezialisieren nach unten.

Anmerkung: Bei vorherigen Absätzen über präorganisierte Mechanismen, Kategorisierungsvermögen und "Bildung von Prototypen" habe ich teilweise auf Inhalte aus folgender Buch-Quelle zurückgegriffen: "Menschliches Denken - Künstliche Intelligenz"; Untertitel: "Von der Gehirnforschung zur nächsten Computer-Generation"; Autor: William F- Allman; Verlag: Knaur/München;

 

 

 

B) ASSOZIIEREN

Diese Fähigkeit stellt eine Erweiterung der Kategorisierungsleistung und jener der Prototypenbildung dar. Der Vorteil liegt auf der Hand: Wären im Gehirn nur starre Kategorien von Dingen vorhanden, könnte es mit der Wahrnehmung eines Objektes das die Definitionskriterien einer Kategorie nicht erfüllt nichts anfangen! So aber wird entweder das gesamte "Ding" oder zumindest Teile davon mit etwas assoziiert (=in Bezug gesetzt, gleichgesetzt), was eine unter den Umständen des gegebenen Sachverhaltes "höchstmögliche  Ähnlichkeit" aufweist!

Alles was wir wahrnehmen, wird unentwegt und vor allem auch bereits vorbewusst mit diversen Prototypen (von Objekten) oder Grunderfahrungen (Situationen, Sachverhalte) abgeglichen und assoziiert!

Je effektiver die alltäglichen Reize mit vorhandenen Referenzwerten übereinstimmen, umso unwahrscheinlicher ist es, das die entsprechenden Wahrnehmungsinhalte ins Bewusstsein dringen! Je schwerer sich das Gehirn tut ein Ding oder eine Situation auf vorbewusster Ebene in Bezug auf einen Referenzwert oder eine mögliche Bedeutung zu assoziieren, umso eher werden wir bewusst darauf aufmerksam! Die höheren (kognitiven) Ebenen des Bewusstseins werden involviert und wir denken bewusst über den Wahrnehmungsinhalt nach! D.h. wir assoziieren nun auf bewusster Ebene und vollbringen eine kognitive Leistung (während un- und vorbewusste Assoziation dem Bereich der Wahrnehmung zuzuschreiben ist).

 

C) IMPLIZITES WISSEN

Assoziation bedeutet also eine flexible Zuordnung von Wahrnehmungsinhalten an einen nächstliegenden Referenzwert! Informationen weißen aber häufig  innerhalb mehrerer verschiedener Kategorien eine Übereinstimmung mit einem Referenzwert auf! Ein "Karpfen" bspw. ist sowohl ein Fisch als auch etwas zum Essen! Nun - in diesem Fall tritt einer der größten Vorteile in Erscheinung, den biologische (aber auch künstliche) neuronale Systeme in Bezug auf Informationsverarbeitung überhaupt aufweisen - es entsteht völlig unbewusst, sozusagen automatisch IMPLIZITES WISSEN, eine Verknüpfung von Inhalten infolge der Übereinstimmung innerhalb einer der mehrerer Bedeutungsebenen!

 

D) PRIMING

Dieser Begriff bezeichnet  im ursprünglichem Sinne ebenfalls eine bestimmte Gedächtnisform. Es geht dabei namentlich um die oben dargestellte Fähigkeit des Gehirns, unbewusste Zusammenhänge wahrzunehmen - also um die Fähigkeit, implizites Wissen zu erzeugen.

Unsere Erfahrungen und unser Wissen entwickeln aber nicht nur dahingehend ein Eigenleben, das sie sich ggf. selbständig zu impliziten Informationen verknüpfen, sondern sie "prägen" uns darüber hinaus in unserer Wahrnehmung, unserem Fühlen und Denken! Eine Information kann sich nicht nur mit anderen semantischen Informationselementen verknüpfen! Sie wird mitunter auch emotional bewertet, löst in uns u.U. Motive aus und wir empfinden ihr gegenüber ein großes Interesse !

Je häufiger und intensiver eine Erfahrung gemacht wurde, je häufiger und intensiver ein spezifisches Wissen eingeprägt wurde und umso intensiver bestimmte Informationen mit spezifischen Emotionen korrelieren, umso mehr werden sich diese Erfahrungen und dieses Wissen auf das allgegenwärtige Realitätsempfinden, auf Gedanken, Gefühle und Gewohnheiten auswirken! Die Kraft oder sagen wir die zwischen subtil und penetrant variierende Wirkung dieser Erfahrungen infiltrieren unentwegt das innere Milieu unseres Bewusstseins! Welche "inneren Bilder", Vorstellungen, Gefühle und Bewertungen ein Mensch irgendwelchen persönlichen oder allgemeinen Themen gegenüber aufbringt - geht es nun um freiwilliges Tempo 100 auf der Autobahn, biologischen Erbsenanbau oder um die Kosten für die Weltraumforschung - hängt davon ab, welche Informationen, Erfahrungen, Emotionen etc. ihn diesbezüglich bisher in welcher Intensität "geprägt" haben.

 

Das Gehirn als
 FUZZI - SYSTEM

"Fuzzy" ist ein englischer Begriff und bedeutet wörtlich übersetzt "UNKLAR". Wir sind es gewohnt davon auszugehen, das unsere Wahrnehmungen, Erinnerungen, Denkvorgänge absolut vollständig und zuverlässig sind und die Realität praktisch 1:1 abbilden!  Dieser Schein trügt gewaltig! Unser Gedächtnis ist keinesfalls eine "Blackbox" die alle Details eines gespeicherten Ereignisses in seiner ursprünglichen tatsächlichen Abfolge wiedergeben kann! Unsere Wahrnehmung liefert mitnichten nur "harte Fakten" ohne jegliche Zensur und ohne jegliche Beimischung nicht real vorhandener Details!

Wie kann man sich das vorstellen und wie kann diese "Unzuverlässigkeit" überhaupt zu Stande kommen?! Erfüllt sie am Ende sogar eine wichtige Funktion?

 

 

FUZZY - EFFEKTE
 bei der Wahrnehmung:

Die Wahrnehmung steht am Beginn der Realitätserfassung. Hier bereits leistet das Gehirn Erstaunliches! So müssen Informationen die parallel aus verschiedenen Sinneskanälen eintreffen synchron verarbeitet und zu einem Gesamtbild oder Gesamt-Eindruck zusammengefügt werden.

Nicht alles was wir wahrnehmen, nehmen wir auch bewusst wahr. Und vor allem: Nicht alles was wir (bewusst) wahrnehmen, nehmen wir so wahr, wie es wirklich ist!!!

Das Gehirn gleicht in seiner Funktion einem  "Fuzzy-System". Dieser suspekte Ausdruck beschreibt die Fähigkeit, aus unvollständigen Informationen ein vollständiges oder (in Bezug auf was auch immer) "schlüssiges" Gesamtbild zu konstruieren.

Im folgenden Bild erahnen wir ein sich mit einem Rechteck überlappendes Dreieck. Die Objekte existieren genau genommen gar nicht. Unser Hirn bildet sie vielmehr durch Vervollständigung angedeuteter Konturen.


Abb. 1: Angedeutete geometrische Figuren

 

Alle menschlichen Gehirne fallen auf bestimmte optische Täuschungen in gleicher Weise herein! Das hat damit zu tun, dass die gespeicherten neuronalen Repräsentationen im visuellen Cortex das Bild der aktuellen optischen Wahrnehmung vervollständigen bzw. ergänzen, noch lange bevor die ganze Information wahrgenommen wurde! D.h. das Gehirn wartet gar nicht erst ab was es wirklich zu sehen gibt, sondern gibt "seinen Senf" schon vorher dazu! 

 

Die Vorteile dieses automatisierten "Informations- Vervollständigungs- Prozesses" sind vielfältig, insbesondere wenn man evolutionäre Hintergründe unserer Spezies und unserer Gehirne mit einbezieht! Für einen Urmenschen der in schwer einsehbarem Gelände unvermittelt auf einen Tiger traf, war es unschätzbar wichtig, die Gefahr schnellstmöglich, notfalls auch nur anhand weniger unvollständiger Details wie etwa der Farbe des Felles, der Größe von Augen und Ohren oder etwa dem Aussehen des Schwanzes, den der gut getarnte Tiger in diesem imaginären Beispiel fahrlässiger Weise aus dem Gebüsch hängen ließ, zu erkennen! Nur dann bestand Aussicht auf eine rechtzeitige Flucht! Aber auch heute profitieren wir selbstverständlich von der Fähigkeit unseres Gehirns unvollständige Informationen eigenmächtig zu ergänzen! 
 


  Wir könn Wörtr versten, auh wen si falch gschribn sin, oder die Lücken ausfüllen, die durch fehlende B.chst.b.n entstehen!

              


Abb. 3,4: Verdeckte  Begriffe

Natürlich können wir auch oben stehende Wörter lesen, wenngleich sie teilweise verdeckt sind.

 

Auch das Gesicht und den Elefanten in folgenden Punktebildern könnten wir nicht erkennen, wenn unser Hirn die Konturen nicht sofort mit einer gespeicherten visuellen Vorstellung eines Gesichtes bzw. eines Elefanten abgleichen und dementsprechend vervollständigen würde.

 

  


Abb. 5,6: Schemenhaftes Gesicht

 

 

 


Wären unsere Gehirne, wie Siliziumchip-Rechner, auf vollständige, konkrete Daten angewiesen, könnten wir mit solchen Informationen nichts anfangen!

 

FUZZY - EFFEKTE
bei Gedächtnis-Leistungen:

In Bezug auf das Gedächtnis sind ähnliche Effekte vorhanden! Erinnerungen sind nämlich keine unveränderlichen Dateien wie auf einer PC-Festplatte! Sie verändern sich im Laufe der Zeit, werden bei jedem Abruf wieder neu "zusammengefügt" und etwaige Lücken werden großzügig gestopft. Wir alle entwickeln über die Zeit hinweg auch eine Reihe "falscher Erinnerungen"!

 

FUZZY - EFFEKTE
bei Denk - Prozessen

Selbst bei der kognitiven, gedanklich- abstrakten Verarbeitung von Fakten, treten die manchmal keineswegs uneingeschränkt wünschenswerten Effekte eines "Fuzzy-Systems" in Erscheinung.


Dies soll am Beispiel folgender Scherzfragen verdeutlicht werden:
 

Wie viele Tierarten hat Moses in seine Arche aufgenommen?

Wenn ein Flugzeug an der Grenze zwischen den USA und Kanada abstürzt, in welchem Land werden dann die Überlebenden bestattet?

Ist es egal wenn ein Mann die Schwester seiner Witwe heiratet?

Sehr häufig kann man Leute mit solchen Scherzfragen in eine lange Denkschleife setzen! Moses hatte mit der Arche nichts zu tun, Überlebende werden nicht bestattet und ein Mann, der eine Witwe hat, ist bereits tot!

Wenn wir uns mental auf die Beantwortung eines Rätsels vorbereiten, versucht unser Gehirn so viele Informationen wie möglich aufzusaugen! Es stürzt sich dabei auf solche, die für die Problemlösung wichtig sind und verwirft jene, die es für abwegig hält. Dies geschieht unerhört schnell und deshalb rutscht Moses in der Arche oft unten durch. Moses weist immerhin so viele Eigenschaften Noahs auf, dass sich das Gehirn damit zufrieden gibt, wenn von einer biblischen Gestalt in der Arche die Rede ist. Würde die Frage lauten wie viele Tiere der deutsche Ex-Kanzler Helmut Kohl in die Arche genommen hat, würde der Gefragte den Unsinn sofort bemerken!

Ebenso ist die Wahrscheinlichkeit von Überlebenden bei einem Flugzeugabsturz erfahrungsgemäß derart gering, das das Gehirn diesen Begriff blitzschnell "unterschlägt" um sich dem vermeintlich  "geopolitischen Problem" der Begräbnis-Stätte für die Opfer zuzuwenden.

 

Anmerkung: In den Absätzen über die Fuzzy-Effekte habe ich teilweise auf Inhalte aus folgender Buch-Quelle zurückgegriffen: "Wie das Gehirn denkt"; Untertitel: "Die Evolution der Intelligenz"; Autor: William H. Calvin; Verlag: Elsevier GmbH; München

 

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