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THEMENSEITE III

 

DENKEN UND GEDANKEN

 

Gedanken sind die komplexesten Vorgänge in unserem Gehirn. Hier werden bei zumeist hohem Bewusstseinsgrad und expliziter Beteiligung des bewussten SELBST mitunter anspruchsvolle Analogien und Metaphern, Konzepte und Vorstellungen entwickelt, um irgendein abstraktes oder gegenständliches Problem zu lösen bzw. eine Entscheidung zu treffen.

"Gewöhnliche" Wahrnehmungsinhalte gleichen konfliktfreien Bildern, die teilweise aufeinander folgend, teilweise überlappend, in unserem geistigen Erlebensraum präsentiert werden. Im Vorfeld eines Gedankens verkompliziert sich die Repräsentation dieser Inhalte. Ein Gedanke weist eine Analogie zu einer Frage auf. Die (strukturell) einfachste Frage, ist die "Ja-/Nein-Frage" bzw. "Richtig-Falsch-Frage", die zweite große Kategorie von Fragen sind die viel zitierten "W-Fragen" (Was, Wie, Wo, Wann, Weshalb, Wodurch, u.a.). Die elementarsten Fragen sind die nach dem  WAS (bezieht sich auf Objekte), WIE (bezieht sich auf Beziehungen) und WARUM (bezieht sich auf Ursachen). 

Die bedeutsamste aller Fragen überhaupt ist jene nach dem WARUM! - Und warum? Weil ein (wirklich) intelligentes, kognitives System diese Frage nicht nur auf die Inhalte seiner Wahrnehmung und seines Gedächtnisses anwendet, die seine Umwelt betreffen, sondern weil es mit dieser Frage seine eigene Position im Kontext zur Umwelt oder der aktuell vorherrschenden Situation hinterfragt!

 

VORAUSSETZUNGEN ZUM DENKEN

Damit ich etwas (bewusst und konkret) wahrnehme, muss es die sog. Aufmerksamkeitsschwelle überwinden und sich aufgrund irgendwelcher Eigenschaften oder infolge der besonderen Umstände des Erlebens aus dem Milieu der Hintergrundwahrnehmungen herauslösen.

Damit etwas zur Ursache oder zum Gegenstand eines Gedankens wird, muss neben der Aufmerksamkeitsschwelle auch eine Relevanzschwelle überwunden werden, der Wahrnehmungsinhalt muss für mich zunächst ein wahrgenommenes Thema und schließlich zu einem Problem werden. Das Gehirn ist ein großer Energiefresser (es beansprucht 25% des körperlichen Gesamt-Energiebedarfes). Deshalb werden auch mentale Prozesse "ökonomisiert", d.h. im Idealfall wird die größtmögliche Informationsmenge irgendwie außerhalb bewusster Denkprozesse verarbeitet.

 

Informationen müssen gewisse Voraussetzungen erfüllen, damit wir sie als "sinnvolle Einheiten" erleben und mit ihnen operieren können:

 

SPEZIFITÄT:

 "Etwas" muss sich infolge seiner Eigenschaften und Wirkungen genügend von anderweitigen "Dingen" differenzieren und hervorheben, um als eigenständiges/r Objekt oder Sachverhalt wahrgenommen zu werden. Im Falle einfacher, analoger Objektrepräsentationen wird dies vorrangig durch die Begrenzung (Umfang), Position (im Raum), Lokalisation (gegenüber anderweitigen Objekten) und ggf. "Verbindung" oder Beziehung gegenüber anderweitigen Objekten gewährleistet.

 

VOLLSTÄNDIGKEIT:

 Eine "banale" Information (etwa die Repräsentation eines begrifflich oder bedeutungsmäßig bekannten oder vertrauten Objektes) muss gewisse Mindesteigenschaften (in Bezug auf Menge und/oder Anordnung der sie bildenden Teile) aufweisen, um ihrer Natur gerecht zu werden. Ebenso müssen Beziehungen oder Zusammenhänge zwischen "Dingen" einen "geschlossenen Sinn" ergeben.

 

UNWIDERSPRÜCHLICHKEIT:

Innerhalb einer "sinnvollen Repräsentation" dürfen keine sehr widersprüchlichen Aspekte ko-existieren. Die Darstellung eines kausalen Zusammenhanges (einer Beziehung) etwa muss einen klaren Ursache-Wirkung- Kontext beinhalten.

 

INTEGRITÄT:


Eine Information muss sich in das Gefüge der ko-existenten Wahrnehmungsinhalte integrieren. Insbesondere muss sie sich auch in die Gesamt-Erlebens-Situation des Beobachters integrieren.

 

 

Wann, warum und über was denken wir nach?

"Einfache", für uns "belanglose" Informationen werden als innere Bilder, als Repräsentationen dargestellt. Deren Wahrnehmung geschieht überwiegend unbewusst und ohne besondere Aufmerksamkeit.

Ein Thema ist eine Information, der gegenüber ich irgendeinen Grad an Intention oder salopp ausgedrückt Interesse aufweise.

Damit sich der unbewusste Anteil meines Geistes und insbesondere mein bewusstes Selbst eingehender mit Inhalten auseinandersetzt und im Zuge erhöhter kognitiver Aktivität Assoziationen, Konzepte, Vorstellungen, Metaphern und Analogien bildet, müssen sich Inhalte zu einem Problem steigern.

 

Zum "Problem" werden Informationen, wenn sie entweder/und/oder:

A) unseren (Über)lebensvorteil oder Lustgewinn betreffen, also unerfreulich oder bedrohlich sind
 

B) unlogisch (d.h. unvollständig, widersprüchlich oder mehrdeutig) sind

 

 

Gesichter der Unlogik: UNVOLLSTÄNDIGKEIT, WIDERSPRÜCHLICHKEIT UND MEHRDEUTIGKEIT

 

Die wahrgenommene (reale oder vermeintliche) Unlogik einer Information veranlasst uns also zum Denken.

Die Erscheinungsformen von "Unlogik" sind: Unvollständigkeit, Widersprüchlichkeit und Mehrdeutigkeit von Informationen. In den meisten Fällen entspringt das Erkennen von "Unlogik" gar nicht unserer eigenen, bewussten Aktivität. Das "System" (so soll hier vereinfachend die Summe aller für die Generierung geistig-mentaler Phänomene zuständigen Hirnprozesse - in Gegenüberstellung zum bewussten Selbst - bezeichnet werden) reagiert sehr häufig "selbständig" auf eine unlogische Information und "richtet" die innere Perspektive in einer Weise aus, die dass bewusste Selbst zwangsläufig "alarmiert" oder "hinzuschaltet"!

Ein augenscheinlicher Unterschied zwischen "allgemeinen" Wahrnehmungsprozessen und bewussten, kognitiven Denkprozessen ist folgender: eine "logische" oder "unproblematische" Information, die zwar meine Wahrnehmungsschwelle, nicht aber eine zum Nachdenken veranlassende Relevanzschwelle berührt oder überschreitet, entspricht mehr oder weniger einer "Einheit", einem begrenzten Objekt oder Inhalt.

Im Falle eines Denkprozesses habe ich es immer mit einer Art von "Vielfalt" zu tun! Es geht z.B. um eine undefinierte Beziehung zwischen Objekten oder zwischen einem Objekt und mir als bewusstem Beobachter. Ferner geht es oft um mögliche Entwicklungsverläufe oder (End)zustände (also die "Zukunft") oder die Ausgangslage ("Vergangenheit", "Ursache") eines Objektes, eines Ereignisses,.... Egal um was es exakt geht, der Sache haftet irgendeine Art von "Problem" oder "Konflikt" an, so dass es also stets um mindestens 2 Dinge geht (ein "Objekt" und ein dem Objekt anhaftendes "Problem").

 Mitunter kann der "Konflikt" der einem "Objekt" anhängt eine Doppelrolle aufweisen, indem der semantische oder logische Aspekt des Konfliktes zugleich für das zweite Objekt steht. Bei der Frage: "War Albert Einstein Atheist?" etwa ist diese Doppelfunktion von Objekt und Gegenstand des (gedanklichen) Problems ersichtlich.

 

 

RELATIVITÄT DER BEDINGUNGEN

Wann erfüllt eine Information die allgemeinen Voraussetzungen für "Sinngehalt"? Wann ist sie spezifisch oder vollständig genug? Ist ein Stuhl ohne Beine immer noch ein Stuhl oder ist es kein Stuhl mehr, weil er eine wesentliche Eigenschaft (nämlich jene, dass man sich darauf setzen kann) nicht mehr erfüllt? Wann ist eine Information "selbstbezüglich", wann existieren Abhängigkeiten zu anderen Informationen und wann muss sie in übergeordnete Kontexte integriert (oder umgekehrt aus solchen herausgelöst) werden?

 

Sehen wir uns das folgende Bild eines  möblierten Raumes an.


Abb. 1: Möblierter Raum

 

Ein Beobachter* könnte hierzu u.a. folgende Aussagen treffen:

"Das ist ein schönes Zimmer!"

"In diesem Wohnzimmer fehlen Couch und Fernseher!"

"In diesem Arbeitszimmer fehlt ein Schreibtisch!"

"In dieser Küche fehlen Kühlschrank und Herd!"

 

 

* Mit "Beobachter" soll in nachfolgenden Abschnitten das bewusst wahrnehmende Subjekt oder Individuum gemeint sein!

 

Die "Bedeutung" einer Information ergibt sich aus vielfältigen Ursachen, insbesondere natürlich aus der PERSPEKTIVE des Erlebens/Wahrnehmens und der "Intentionalität" des Beobachters, die wiederum ihrerseits sowohl "systeminterne" als auch umweltbedingte Ursachen haben kann.

 

Hierzu noch ein anderes Beispiel: Jemand äußert gegenüber drei Zuhörern den Satz: "Er kam vor einer Weile bei ihr vorbei und überreichte ihr ein angemessenes Geschenk!"

Darauf reagieren die Zuhörer folgendermaßen:

Zuhörer A: "Alles klar. Ich weiß bescheid. Er gab ihr ein Geschenk. Das Geschenk war angemessen. Die Handlung geschah vor einer Weile."

Zuhörer B: "Die Information ist unvollständig: Wer ist er, wer ist sie, was war das Geschenk, wann war vor einer Weile und wodurch gilt das Geschenk als angemessen?


Zuhörer C: "Die Information ist widersprüchlich! Warum gab er ihr überhaupt ein Geschenk?

 

Die drei Zuhörer waren mglw. schlichtweg unterschiedlich an der Geschichte interessiert! Vielleicht hatten sie aber auch ein unterschiedliches Vorwissen (oder auch nur ein Vorurteil) darüber, von wem der Erzähler überhaupt redet?!

Die Geschichte könnte sogar zynisch verdreht sein! Der Schenkende könnte der Beschenkten eine Ohrfeige als "angemessenes Geschenk" verpasst haben. Dies würden wir wohl als Widerspruch auffassen....... außer wir wüssten, dass die Beschenkte mit dem besten Freund des Schenkenden durchgebrannt ist und ihn zudem um sein Vermögen betrogen hat?!

 

Insbesondere der Begriff der SELBST-VERSTÄNDLICHKEIT verdeutlicht die enorme Rolle der Intentionalität. Der Begriff der Intention ist hier nicht im Sinne einer (Handlungs)absicht zu verstehen! Die Intention bezeichnet vielmehr den Grad in dem ein Beobachter in eine äußere Situation "involviert" ist und bezieht sich ferner auf seine (individuellen, ggf. auch unbewussten) Wertigkeitskategorien.

 

 

SELBSTVERSTÄNDLICHKEIT


 "Selbstverständlichkeit" hat nicht unweigerlich etwas mit verstehen oder Verständnis zu tun!!!
 Eine Kostprobe: Wie viele Knochen sind in einer menschlichen Hand, oder wie viele Sehnen und Muskeln? Wie funktioniert die Zündelektronik eines PKW - wie wäre es mit einer spontanen Skizze der Zündelektronik?!

Nun: Wir alle sehen und schütteln täglich Hände, ganz zu Schweigen davon wie oft wir unsere Eigenen gebrauchen! Die meisten von uns starten auch mehrmals täglich einen PKW durch einen "selbstverständlichen" Dreh am Zündschlüssel.


 Aber was verstehen wir denn wirklich von all den "SELBSTVERSTÄNDLICHKEITEN"?!

Selbstverständlichkeit entspricht primär einer Empfindung und weit weniger einem expliziten Wissen oder einem logischen Verständnis!

Unter gewissen Bedingungen sind Wahrnehmungen bzw. Informationen selbst-verständlich, u.a. wenn folgende Kriterien erfüllt sind:

- Übereinstimmung mit unbewusster  Erwartungshaltung

- subjektiv empfundene Vollständigkeit, Unwidersprüchlichkeit und Integrität einer Information

-spontane, reflexive Resonanz innerhalb der Wahrnehmung ohne Impuls für kognitive Folgeaktionen

- spontane (empfundene) Erkenntnis über die (vermutete) "Beziehung" einer Information gegenüber dem eigenen Selbst oder anderweitigen Dingen.

- affektives Erahnen von Meta-/ebenen, innerhalb derer die prinzipielle Bedeutung der Information liegt.

 

Innerhalb einer oder zweier Bezugsebenen klinkt sich jede X-beliebige Information relativ spontan ein! Jedes Tier das ich sehe kategorisiere ich unbewusst in irgendeine grobschlächtige Kategorie (etwa Vogel, Insekt,..), ebenso jeden Menschen der mir begegnet (Schüler, Erwachsener, Busfahrer, Bauarbeiter,..).

Aber ich laufe ja nicht durchs Leben um möglichst viele Objekte zu identifizieren! Die Frage ist: Wer oder was stellt mir meine "inneren Fragen"? Wer oder was bestimmt wann ich mich für welche Dinge interessiere, mit welcher Motivation ich mich einer Sache zuwende, wie ich operativ mit ihr umgehe und wann ich wieder von ihr ablasse um mich geistig wieder anderweitigen Dingen zuzuwenden? Was lässt mich letztlich wieder in einen passiven, desinteressierten Zustand gelangen in dem ich über fast gar nichts nachdenke?

 

Ich wiederhole: Damit ein Wahrnehmungsinhalt zum Gegenstand einer gedanklichen Auseinandersetzung wird, muss er neben einer Wahrnehmungs- auch eine Relevanzschwelle überwinden. Der betreffende Wahrnehmungsinhalt muss sich also im weitesten Sinne in einer "Problem-Konstellation" befinden. Dieses "Problem" kann die Beziehungen zwischen Objekten betreffen ("Wie kommt der Kugelschreiber in die Handtasche?"), die Beziehung zwischen wahrnehmendem Subjekt und Objekten ("Nehme ich den Haarföhn mit in den Urlaub?") oder zwischen Subjekt und der abstrakten Vorstellung von etwas anderem, etwa einer künftigen Situation ("Was mache ich nächstes Wochenende?").

Oder noch allgemeiner:

Ausgangspunkt eines jeden Denkvorganges ist die "problematische" (durch Unvollständigkeit, Mehrdeutigkeit oder Widersprüchlichkeit bedingte) Beziehung einer Information

gegenüber (entweder/und/oder)

- anderweitigen Informationen
-der repräsentierten (wahrgenommenen) oder involvierten (aktiv erlebten) Situation des Erlebens
- dem Subjekt bzw. Beobachter an sich.

 

Verlauf eines Denkprozesses

Den Anlass liefert wie gesagt eine "unlogische" oder "unerfreuliche" Information, die uns dazu bewegt, eine klare Vorstellung über etwas zu entwickeln, eine Entscheidung zu treffen oder eine Strategie zur Abwendung persönlicher Nachteile zu entwerfen.

Infolge dessen gerate ich - je nachdem worin das konkrete Problem besteht- in eine Entscheidungssituation (die letztlich zu einer Ja/Nein, Richtig/Falsch- Frage führt oder aber zu einer "W-Frage" (Wie, was, warum, womit, wodurch, wie lange,.....).

In diesem Zuge schaffe und generiere ich Bilder (von Möglichkeiten, Zuständen, Folgeereignissen,..) und gerate vermutlich sehr schnell an einen Punkt, an dem die Landschaft an inneren Bildern unübersichtlich und das Einschätzen der jeweiligen Wahrscheinlichkeiten unmöglich wird. Sog. "somatische Marker", auch als "Bauchgefühle" bekannt, markieren irgendwelche der so entstandenen geistigen Bilder, versehen sie mit einer Empfindung (die zu einer Emotion führt) und bringen mich so zu einem mehr oder weniger eindeutigem "Ergebnis".

Im Idealfall habe ich das Problem gelöst. Falls nicht, muss ich mich aber wahrscheinlich dennoch nicht bis zum Ende meines Lebens mit dem Gedanken auseinandersetzen!

Das neuronale System an sich wird vermutlich eine neue Perspektive generieren, eine Art "Vergangenheit" vom Abbild meines sich in gedanklicher Aktion befindlichen Selbst erschaffen. Mit diesem Bild identifiziere ich mich nunmehr aber nicht mehr völlig, sondern betrachte es aus einer gewissen "Distanz" heraus ("repräsentiertes Bild"), aus einer "Außenperspektive". Das Selbst okkupiert diese neu entstandene "Beobachter-Perspektive" ("funktionales Bild") und kapselt den vorangegangenen, ggf. ergebnislosen oder Verwirrung stiftenden Denkprozess mehr und mehr von der aktuellen Erelebenssituation ab! Er wird zu einer Art "Erinnerung". Das Aktualbewusstsein und meine vorrangige Perspektive/Intentionalität richtet sich wieder auf gegenwärtige oder grundsätzlich anderweitige Wahrnehmungen!

 

 

GEDANKENPROZESSE INNERHALB UND ZWISCHEN BEZUGSEBENEN

Wahrnehmungs- und Gedankeninhalte können über verschiedene Ebenen hinweg miteinander in Verbindung stehen.

Hierzu ein kleines imaginäres Szenario:
Ein Schüler sitzt gerade vor einer Mathematik-Prüfungsarbeit und versucht eine Aufgabe zu lösen, die in Form einer imaginären Geschichte ("Textaufgabe") gestellt ist: Diese handelt von einem Schreinermeister der ein aus verschiedenen Materialien bestehendes Möbelstück für einen Kunden herstellen soll. Die Aufgabe besteht aus mehreren Teilaspekten: Es gilt, die Gesamt-Oberfläche des Objektes zu berechnen um die Kosten für eine Furnierung zu ermitteln. Ferner soll der letztendliche Verkaufspreis errechnet werden, der sich aus Materialwert (Gewichtsvolumen der verschiedenen Holzsorten), Arbeitslohn, Mehrwertsteuer, etc. ergibt. Schauen wir dem Schüler ein paar Augenblicke über die Schulter, genauer sogar in seinen Kopf. Seine Aufmerksamkeit kann sich natürlich direkt auf die Rechenaufgabe richten. Er versucht sich in diesem Fall an die richtigen Volumen -und Flächenformeln zu erinnern, etc. Möglicherweise registriert er nebenbei oder zwischendurch auch den einen oder anderen Aspekt der ihn umgebenden räumlichen Situation. Er stellt vielleicht einen gedanklichen Bezug zwischen einem realen Schrank der sich im Raum befindet und jenem Objekt her, um das sich die theoretische Prüfungsaufgabe handelt. Vielleicht öffnet er in seiner inneren Perspektive auch eine Meta-Ebene, d.h. er macht - im übertragenen Sinne - einen Schritt hinter die augenblickliche Realsituation und befasst sich mit einem angenommenen Zusammenhang zwischen dem Schwierigkeitsgrad der Prüfung und der Person des Prüfers. Er überlegt, ob der für die Schulaufgabe verantwortliche Lehrer vielleicht bewusst eine sehr schwere oder eine sehr leichte Prüfung erarbeitet haben könnte. Er kann eine noch tiefere Meta-Ebene betreten: Er hinterfragt, welches Motiv der Lehrer gehabt haben könnte, eine bewusst harte "Selektionsprüfung" zu erstellen, bei der eine absehbar hohe Durchfallquote zu verzeichnen sein wird? Übt er Rache an einer Schulklasse die ihm viele Nerven gekostet hat? Oder aus welchem Grund könnte er eine sehr leichte Prüfung ausgearbeitet haben? Aus Eigennutz, weil ein guter Notendurchschnitt der Schüler einen guten Eindruck auf seine Fähigkeiten als Lehrer wirft? Der Schüler kann natürlich noch einen weiteren Schritt hinter diese Betrachtungsebene gehen und in einer noch tieferen Ebene darüber nachgrübeln, ob die potentiellen Motive des Lehrers u.U. sogar durch äußere oder durch Dritte verursachte Einflüsse zustande kamen. Wurde der Lehrer vielleicht vom Schuldirektor in irgendeiner Form dazu angehalten, eine besonders anspruchsvolle Prüfungsarbeit zu erstellen?! Und welches Motiv wiederum könnte der Direktor haben?

Auf was ich hinaus will ist die Frage, wie und warum ein Mensch seine Perspektive wechselt und sich unter völlig anderen Gesichtspunkten mit (derselben) Sache auseinandersetzt oder aber die Themen wechselt! Wenn ich einem Computer eine Rechenaufgabe stelle, wird er sie lösen. Bitte ich ein Kind eine Additionsaufgabe auszuführen, kann es passieren, dass mich das Kind nach dem Grund fragt! Es distanziert sich also vom konkreten Gegenstand einer Aufgabe und stellt diese Aufgabenstellung in einen Meta-Kontext zur Person des Fragestellers (und dessen Motiven)!

Ebenso faszinierend ist die Tatsache, dass dieser Wechsel in eine andere Ebene nicht einmal zwingend die Ausführung der ursprünglichen Aufgabe verhindert (auch wenn natürlich Ressourcen von derselben abgezogen werden). In einem gewissen Umfang ist es möglich, sowohl an der Lösung einer gegenständlichen Aufgabe zu arbeiten als auch dieselbe insgesamt in irgend einem erweiterten Zusammenhang zu hinterfragen.

 

ZIELE VON GEDANKEN

Der Ziel eines jeglichen Gedankens besteht darin, eine zunächst nicht-integrierbare Information durch Ergänzung, Reduktion oder "In-Beziehung-Setzen" in irgendeinen übergeordneten Kontext einzuordnen.

 

MENTALE "HILFSMITTEL": ANALOGIEN UND METAPHERN

Analogien und Metaphern sind das Mittel der Wahl, um die Natur einer Sache oder eines komplexen Zusammenhanges über den Umweg einer bildlichen, abstrakten Vorstellung zu erfassen. Sie sind auch geeignete "Adapter", um die Kommunikation über verschiedene Operationsebenen (die etwa in Form verschiedener Verständnisfähigkeiten gegeben sein können) hinweg zu überbrücken. Ich kann bspw. einem 4-jährigen Kind prinzipiell erklären, warum die Sonne scheint und dabei Licht und Hitze entsteht. Eine hinlängliche Vorstellung über die Kernfusion wird das 4-jährige Kind wohl kaum erlangen. Eine stark vereinfachte Analogie kann aber genügend Merkmale dieses Prozesses auf einer Ebene reduzierter Komplexität widerspiegeln, so dass das Kind im entfernten Sinne doch irgendwie "begreift" oder zumindest erahnt, um welche grundsätzliche Art von Prozess es hierbei überhaupt geht.

 

GEDANKLICHE WERKZEUGE

Die Integration einer Information kann grundsätzlich durch 4 verschiedene Möglichkeiten erfolgen.

1. "Bottom up": Ich integriere etwas in einen übergeordneten Zusammenhang.

2. "Drop down" Ich isoliere etwas aus einem übergeordneten Zusammenhängen heraus.

3. Simulierte Vor- oder Rückwärtsbewegungen auf der Zeitachse: Aus rudimentärem Wissen über die aktuelle Situation versuche ich Hypothesen über mögliche Auswirkungen unter verschiedenen Bedingungen zu "errechnen" (was passiert in 10 Jahren, wenn ich jetzt heirate, den Arbeitsplatz wechsle, einen hohen Kredit aufnehme, auswandere?!).. Die angenommenen Hypothesen werden anschließend gegeneinander aufgewogen und nach dem vermuteten Grad ihrer Wahrscheinlichkeit verworfen oder inhaltlich weiter ausgebaut.

 

 

4. WECHSEL DES THEMAS ODER DER VERARBEITUNGSEBENE

 Die meisten spontanen "Probleme" (im Sinne gedanklicher Auseinandersetzungen) werden in der Weise "bewältigt", dass wir sie nicht inhaltlich-logisch lösen, sondern den ganzen Denkprozess durch Wechsel der Erlebens-Perspektive integrieren. Zumeist handelt es sich dabei nicht um eine bewusst oder willentlich vollzogene Veränderung der Wahrnehmungs- bzw. Erlebensperspektive! Hierzu ein kleines Beispiel: Ich sehe einen Karl-May-Western und frage mich, ob "Old Surehand" wirklich aus 30 Metern Entfernung einem Gegner die Waffe aus der Hand schießen kann. Ich habe natürlich keine Ahnung von Ballistik, verstehe auch nichts von historischen Waffen, deren Munition sowie den prinzipiellen Fähigkeiten, die ein hervorragend talentierter und trainierter Mensch in Bezug auf Zielgenauigkeit etc. erreichen kann. Ich könnte jetzt darüber nachdenken wer von meinen Bekannten bei der Bundeswehr oder in einem Schützenverein ist, in dem mit großkalibrigen Waffen geschossen wird. Ich könnte im Internet nach Feuerwaffen des frühen 19. Jahrhunderts oder nach historischen Personen recherchieren, die als "Revolverhelden" mehr oder weniger in die Geschichte eingegangen sind. Wahrscheinlich mache ich aber nichts von alldem oder ich greife diesen Sachverhalt erst viel später wieder zufällig auf (wenn ich etwa einen aktiven Schützen treffe oder in einer gelangweilten Stunde im Internet surfe und mich dabei wieder an diese einstige Überlegung erinnere). Zunächst wird sich meine Aufmerksamkeit höchstwahrscheinlich wieder auf völlig andere Dinge fokussieren! Ich habe also nicht das "Problem" an sich gelöst (also die Frage beantwortet, ob Old Surehand, wenn er ein realer Mensch gewesen wäre, wirklich so gut hätte schießen können), sondern ich habe vielmehr das "Problem" gelöst, mich überhaupt mit dem Problem auseinandersetzen ("zu wollen oder müssen"). Meine Empfindung sagt mir, dass es gar nicht so wahnsinnig wichtig ist zu wissen, ob Karl May in seinem Roman grundsätzlich realistische Dinge beschreibt.

Die "Lösung" eines (gedanklichen) Problems, ist also mitnichten die einzige, sondern allenfalls eine von mehreren denkbaren Gründen, wie und warum ein Gedanke wieder endet (und durch einen neuen Geisteszustand, ein neues mentales Bild mit anderweitigen Informationen oder ggf. auch einem neuen Problem und dazu gehörigen Gedanken ersetzt wird).

In der letzten Themenseite dieser Internetpublikation ("Der Sinn des Er-Lebens") werde ich auf verschiedene mögliche Zustandsformen des "ICH`s" eingehen, die sich im Grad ihrer Bewusstheit (und Vorsätzlichkeit) und in der Art ihrer vorrangigen Aktivität (passives Wahrnehmen oder aktive Kognitionsleistung) unterscheiden. Das Thema oder der Fokus einer gedanklichen Auseinandersetzung kann von einer "schwachen Ich-Funktion" oder einem völlig unbewussten Programm gewechselt werden!

Man muss hier grob gesagt zwei grundsätzliche Ebenen unterscheiden: Einen übergeordneten Gesamt-Erlebens-Prozess mit einer Vielfalt an geistigen (emotionalen, kognitiven, motivationsrelevanten) Inhalten und Nuancen einerseits, und dem höchst expliziten Fokus des bewussten Ich`s und seiner (gedanklichen) Auseinandersetzung mit einem Teil dieser Inhalte andererseits!

Es geht also grob vereinfacht um eine "funktionale Logik", also um die Frage, wie (aus welcher "Perspektive") ich etwas wahrnehme und um eine "semantische Logik", also die Frage, was ich (aus der gegebenen Perspektive) heraus wahrnehme und kognitiv verarbeite.

Bei einem Psychotiker wird die Ausbildung neuer Wahrnehmungsperspektiven mitunter zu einem schlimmen Problem! Er kann Informationen nicht mehr integrieren, weil alles, was eine Information normalerweise (zumindest auf Gefühlsebene) vervollständigen oder integrieren würde oder könnte, nur einen noch weiteren und noch unübersichtlicheren Meta-Kontext erzeugt! Die Gedanken verzweigen sich, es werden immer mehr Inhalte gebildet die sich zunehmend schlechter irgendwo "logisch" oder zumindest "funktional" in  das Gesamterleben "einklinken"!

 

FAZIT:

Für unsere menschlichen Erlebens-, Denk- und Entscheidungsprozesse sind ständige Wechsel zwischen mentalen Inhalten, gedanklichen Betrachtungsebenen und geistigen Perspektiven bezeichnend!

Mitnichten verursacht vorrangig unser "ICH" die Generierung und den Wechsel all dieser Inhalte und Vorgänge! Es scheint eher, als verliefen Generierung und Wechsel der geistigen Erlebenssituationen und deren Inhalte einerseits, sowie die darin wahrgenommenen "Probleme" und daraus hervorgehenden Denkprozesse andrerseits auf "getrennten Schienen" die sich in einer gewissen Taktung und Regelmäßigkeit zu kreuzen scheinen?!

Die wahrscheinlich wichtigere Frage, als jene, wie und warum wir überhaupt DENKEN bezieht sich darauf, wie und warum das Gehirn bestimmte Perspektiven des Erelebens und Zustandsformen des Subjekts erzeugt!

Woraus resultiert der Sinn des Gesamt-Erlebens?

Was bedingt diesen unablässigen Strom von Wahrnehmung, Denken und Entscheiden?

Das wollen wir uns in der letzten Themenseite dieser Internet-Publikation unter "DER SINN DES ER - LEBENS" näher ansehen!

 

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